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Ich habe eine zweite Voigtländer Bessamatic bekommen…
Zwar schon letzten Spätsommer, aber es ist eine wunderschöne Geschichte…
Und das Ganze trug sich folgendermaßen zu:
Ich besitze ja bereits eine wunderschöne Voigtländer Bessamatic, inklusive einer edlen Bereitschaftstasche. Hin und wieder hole ich sie gerne hervor.
Es ist eine Kamera mit Seele - eine, die Geschichten erzählt.
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Eine unerwartete Nachricht
Vor einiger Zeit erhielt ich eine E-Mail, die mich tief berührte. Frau B. hatte im Internet nach dem Begriff „Bessamatic“ gesucht und stieß dabei auf meinen alten Artikel über diese Kamera. Sie schrieb mir eine freundliche, beinahe rührende Nachricht und erzählte mir eine ganz besondere Geschichte.
Ihr verstorbener Ehemann war einst als Feinmechaniker bei Voigtländer tätig – genau zu der Zeit, als die Bessamatic gefertigt wurde. Er war mit Leib und Seele Techniker, ein Mann, der Präzision und Handwerkskunst liebte. Natürlich ließ er es sich nicht nehmen, selbst eine zu besitzen, und nutzte diese Kamera viele Jahre seines Lebens.
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Ein Abenteuer in New York
In den 1960er Jahren unterhielt Voigtländer eine Werkstatt in New York (Manhattan), um Reparaturen für den amerikanischen Markt abzuwickeln. Ihr Mann wurde gefragt, ob er für drei Jahre nach Amerika gehen wolle, um dort als Techniker zu arbeiten. Er sagte Ja.
Als junges Ehepaar wagten sie dieses Abenteuer: Frisch verheiratet packten sie ihre Sachen und tauchten in eine völlig neue Welt ein.
Sie lebten sechs Jahre im pulsierenden Manhattan, umgeben von der Aufbruchsstimmung jener Zeit, bevor sie nach Deutschland zurückkehrten und sich in Frankfurt niederließen.
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Auch nach seiner Zeit bei Voigtländer blieb ihr Mann dieser Kamera treu: Lange nachdem die letzte offizielle Werkstatt in Deutschland geschlossen worden war, reparierte er noch immer Bessamatics, in seiner Freizeit, aus purer Leidenschaft. Es machte ihm große Freude, diese Kameras zu reparieren. Frau B. spürte es sicherlich: Wenn er vor diesen Schmuckstücken saß, in konzentrierter Arbeit versunken, war er zufrieden und glücklich. Mit den Jahren wandelte sich die Fotowelt, und die mechanischen Kameras gerieten langsam in Vergessenheit.
Vor einigen Monaten verstarb Herr B. im hohen Alter von 92 Jahren. Seine Frau, mittlerweile 88, blieb mit ihren Erinnerungen zurück – und mit einer Kamera, die für sie viel mehr war, als nur ein technisches Gerät. Sie war ein Stück ihres gemeinsamen Lebens. Doch sie wusste, dass die Bessamatic in gute Hände kommen sollte. Sie schrieb mir, erzählte mir diese Geschichte und bot mir die Kamera als Geschenk an.
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Welch ein Geschenk...
Ich war überwältigt und gerührt.
Ich nahm das Angebot voller Dankbarkeit an. Als das Päckchen eintraf, fühlte es sich tatsächlich an wie Weihnachten. Ich öffnete es und da lag sie: Eine wunderschöne, bestens gepflegte Voigtländer Bessamatic.
Die Kamera war mit einem Color-Skopar X 2,8/50 mm ausgestattet – dem Standardobjektiv dieser Modellreihe. Doch das war nicht alles: Auch ein Skoparex 3,4/35 mm und ein Super-Dynarex 4,0/135 mm lagen dabei. Besonders auffällig ist die kompakte Bauweise der Objektive im Vergleich zu heutigen Modellen – eine wahre Meisterleistung der damaligen Ingenieurskunst! Ich nahm sie in die Hand, drehte und drückte und löste aus und spürte die Präzision, die diese Kamera so einzigartig macht. Man sah ihr an, dass sie über Jahrzehnte hinweg mit Liebe behandelt worden war – eine treue Begleiterin durch die Zeit.
Sie ist in einem außergewöhnlich guten Zustand. Alles läuft geschmeidig, und die Zeiten scheinen ebenso wunderbar und flüssig zu laufen.
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Zur Markteinführung im Jahr 1960 kostete eine Bessamatic mit Color-Skopar und Bereitschaftstasche stolze 611 D-Mark.
Ein VW-Mitarbeiter verdiente damals durchschnittlich 500 D-Mark im Monat, und ein VW Käfer war für 3.800 D-Mark zu haben. Diese Kamera war also eine Investition.
Es ist faszinierend, wie viel Geschichte und persönliche Erinnerungen in einer Kamera stecken können. Diese Bessamatic ist nicht nur eine technische Meisterleistung, sondern auch ein Stück gelebte Zeitgeschichte.
Besonders die Lebensgeschichte dieser bezaubernden Dame hat mich berührt.
Und nun kann ich ein weiteres Kapitel mit ihr schreiben – voller Freude und mit einem leisen Dank an Frau B., die ihre wunderschöne Geschichte mit mir geteilt hat.
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Wolf Jäger (Dienstag, 25 Februar 2025 19:23)
Wow, das ist ja mal was... Als nicht wirklich Fotografie- Begabter hatte ich noch nie eine Bessamatic in der Hand- aber ich kann die Freude mehr als verstehen- Ich habe früher eine "Flexaret" besessen, bis sie mir gestohlen wurde- ich bekam sie zwar zurück, aber defekt. Es muss schon ein überragendes Gefühl sein, wenn man soetwas besitzt und benutzt...
Sari (Mittwoch, 26 Februar 2025 09:37)
WOW, die Geschichte ist wirklich eine ganz besondere. Unglaublich, dass die Frau dich gefunden hat.
Jürgen (Donnerstag, 27 Februar 2025 02:01)
Oh ja, lieber Wolf, solch schöne Geräte sind immer wieder toll. Die Flexaret ist wunderschön, schade für deine Geschichte.
Liebe Sari, ich bin immer noch gerührt über diese Geschichte…